Fragen aus Foren: Paukenröhrchen, T-Röhrchen, Lasern

In diversen Foren – hauptsächlich im Kidmed-Forum – sind mir schon viele Fragen zur HNO-Medizin gestellt worden. In Foren beantworte ich die Fragen unter dem Namen „wovapa“ (Wolfgang Vahle, Paderborn). In unregelmäßiger Folge werde ich einige Fragen und meine Antworten – bearbeitet und ergänzt – in dieser Kolumne veröffentlichen.

Frage:
Kurz die Historie meines Sohnes (knapp 5 J.): Nie Ohrenentzündung, immer Schnupfen, Paukenröhrchen wurden schon gelegt und eine Polypenentfernung durchgeführt. Jetzt liegen wieder ein Paukenerguss  und eine Mittelohrentzündung vor. Es ist jetzt wieder eine Paukenröhrchen-OP geplant.

Drei Fragen hätte ich noch:
– Bei meinem Sohn werden wie beim letzten Mal Goldröhrchen eingesetzt. Wären T-Röhrchen sinnvoller (hat meine Nichte, mit Widerhaken, müssen entfernt werden), da mein Sohn anatomisch superanfällig für Paukenergüsse zu sein scheint?
– Ich habe gelesen, dass Lasern eine schonende Alternative zu Röhrchen sein kann. Würden Sie dem zustimmen? Vorteile? Nachteile?
– T-Röhrchen: Wie werden T-Röhrchen entfernt (Klinik ambulant oder HNO-Praxis)? Ist das schmerzhaft?


wovapa:
Die Art der Paukenröhrchen (PR) ist zunächst mal nicht so „wahnsinnig“ ausschlaggebend; Paukenröhrchen werden von mehreren Herstellern auf den Markt gebracht und sie erfüllen alle ihren Zweck: nämlich die Mittelohren zu belüften.

In seltenen Fällen reagieren Patienten mal allergisch auf bestimmte Kunststoffe, dann stoßen sich die Paukenröhrchen, die aus diesen Kunststoffen gefertigt sind, früh ab und man muss dann wieder neue legen. Durch einen Wechsel auf ein anderes Material kann man in solchen seltenen Fällen Vorteile gewinnen.

Paukenröhrchen vor dem Einsatz. Blick und Aufnahme durch das OP-Mikroskop.

Die Goldröhrchen sind normalerweise gut verträglich. Ich habe da nie Probleme gesehen. Es sind aber keine ausgesprochenen „Langzeit-Paukenröhrchen“. Die Goldröhrchen bleiben so im Durchschnitt 1 bis 3 Jahre liegen. Ich habe aber auch schon Fälle erlebt, da waren die PR nach drei Wochen wieder draußen! Abgestoßen im Rahmen einer akuten Mittelohrentzündung.

Die T-Röhrchen sind aus einem „butterweichen“ Kunststoff. Die „Widerhaken“ (dieses Wort im gleichen Atemzug mit „Trommelfell“ genannt: da läuft es mir kalt den Rücken herunter) sind lediglich kleine „Flügelchen“ die sich im Mittelohr aufspreizen und an die Innenseite des Trommelfells zu liegen kommen. Die Entfernung ist eigentlich nicht schmerzhaft. Wenn die Kinder sehr ängstlich sind, kann man auch eine oberflächliche Sprayanästhesie durchführen. Eine Narkose ist sicher nur in absoluten Ausnahmefällen erforderlich.

Aber: die T-Röhrchen will man ja eigentlich gar nicht so früh wieder ziehen! Es wäre ja auch irgendwie unsinnig, Langzeitröhrchen zu legen und diese dann schnell wieder zu entfernen. Mein Ziel ist es immer, die Röhrchen bis jenseits des 10. Lebensjahres liegen zu lassen, danach kann man neu entscheiden, ob und wann man die T-Röhrchen entfernen will. „Langzeit“-PR sind übrigens auch keine „Ewigkeits“-PR! Auch Langzeit-PR werden irgendwann abgestoßen.

Bei der Laser-Parazentese werden überhaupt keine PR eingelegt! Während eine „normale“, also mit einem Messer gesetzte, Parazentese (PZ; so heißt der kleine Schnitt in das Trommelfell) innerhalb weniger Tage (meistens innerhalb der ersten Woche) abheilt, bleibt ein mit dem Laser „geschossenes“ Loch länger offen. Die Wundränder sind bei der Laseranwendung sofort verkautert, so dass der Heilungsvorgang länger dauert (so 2 bis 3 bis 5 Wochen). Danach ist auch die Laser-PZ wieder verheilt und das Trommelfell wieder geschlossen. Schmerzhaft ist beides. Bei Kindern würde ich das immer in Kurznarkose machen (selbst wenn eine Oberflächenanästhesie ausreichen würde: die Kinder „hampeln“ bei der OP immer herum, drehen den Kopf weg und reklamieren zögerlich, dass sie keine Lust mehr haben. Wenn man nicht in Ruhe „zielen“ kann, kann man auch nicht gut treffen!).

Also, folgende zeitlichen Reihenfolge kann man aufstellen:

1. Normale Parazentese: sie bleibt wenige Tage offen.
2. Laser-Parazentese: sie bleibt wenige Wochen offen.
3. Normales Paukenröhrchen: es bleibt einige Monate bis wenige Jahre liegen.
4. T-Röhrchen: es bleibt einige Jahre liegen.

Zu welcher Methode man sich entscheidet, hängt also nicht wenig auch vom Alter des Kindes ab, weiß man doch, dass Kinder, die älter als 7 bis 10 Jahre alt sind, nur noch in sehr seltenen Fällen PR benötigen. Und es hängt vom Ohrbefund ab. Ich selbst lege zum Beispiel die T-Röhrchen niemals als erste Röhrchen: ich weiß ja gar nicht, ob das Kind überhaupt Langzeit-PR braucht! Vielleicht ist dem Kind ja mit normalen PR schon gut geholfen!

Ich will auch nicht verschweigen, dass es bei sehr kleinen Kindern mit ihren sehr engen Gehörgängen auch mitunter sehr schwierig ist, PR zu legen – und die T-Röhrchen benötigen eine noch anspruchsvollere OP-Technik als die normalen PR! T-Röhrchen bei engen Gehörgängen zu legen ist nicht trivial!

Frage:

Paukenröhrchen im Größenvergleich. Blick und Aufnahme durch das OP-Mikroskop.

Auch aus Ihrer Zusammenfassung scheinen die Gold-PR die Methode der Wahl für meinen Sohn zu sein (oder wie unser Kinderarzt es so nett formulierte: „Das Schlimmste an einer PR-OP sind eigentlich die Eltern…“). Hinsichtlich der OP vertraue ich unserem HNO sehr. Würden Sie eher länger medikamentös behandeln (ich weiß, nahezu unmöglich, ohne das Ohr gesehen zu haben: Befund: Mittelohrentzündung mit Erguss?

Mich macht die Vollnarkose immer unruhig, aber sie ist ja sehr kurz. Gibt es eine Möglichkeit, die Kinder beim Aufwachen etwas zu unterstützen oder muss man da durch (bei der letzten OP mit Polypenentfernung hat mein Sohn, eben sehr desorientiert, laut geweint und war eigentlich nicht zu beruhigen – das greift einen schon an)?

wovapa:
Eine medikamentöse Behandlung der immer wieder auftretenden oder langfristig bestehenden Paukenergüsse ist „irgendwann“ vorbei! Dann ist es einfach nicht mehr sinnvoll, weiterhin Medikamente zu geben und vergeblich auf Besserung zu hoffen, währenddessen das Hörvermögen schlecht bleibt! Paukenergüsse, die länger als 3 Monate bestehen bleiben, werden von mir praktisch ohne Ausnahme einer Operation zugeführt.

Ihre Angst vor der Vollnarkose ist verständlich, aber dennoch im Wesentlichen unnötig. Die Narkosedauer richtet sich immer nach der Operationsdauer – und die ist nun mal vergleichsweise sehr kurz bei den Paukenröhrcheneinlagen.

Die Kinder (alle Patienten!) „wachen“ im Narkoseausleitungsraum „auf“; da können Sie normalerweise nicht anwesend sein (der Ausleitungsraum gehört zum sterilen OP-Bereich). Ich habe das Wort „Aufwachen“ absichtlich in Gänsefüßchen gesetzt, weil es für uns Ärzte, speziell für die Anästhesisten, bedeutet, dass die Atmung und die Schutzreflexe wieder einsetzen und vorhanden sind und die Patienten „ansprechbar“ sind (ansprechen kann man sie immer – auch während der OP – nur: nach der Ausleitung reagieren sie auch wieder auf die „Ansprache“). Lässt man die Patienten dann aber in Ruhe, schlafen sie sofort wieder ein. Später kann sich auch kaum jemand an diese unmittelbar auf das OP-Ende folgende Ausleitungsphase erinnern („Amnesie“). Da kann es folglich auch keine psychischen Schäden geben.

Wichtig bei jeder Narkose: Die sorgfältige Überwachung der Narkose mit moderner Technik. Hier: Ein Ausschnitt aus dem „Cockpit“ des Narkosegerätes.

Nach der Narkoseausleitung werden die Kinder in den Aufwachraum verlegt. Dort stehen sie unter der fachkundigen Beobachtung durch geschultes Anästhesiepersonal. In unserem Krankenhaus werden die Eltern in den Aufwachraum gebeten, um die Aufwachphase der Kinder zu begleiten. Ich denke, in anderen Krankenhäusern ist das ähnlich.

Dass die Kinder in der Aufwachphase zunächst sehr unruhig sind, ist für die Mütter natürlich ein einschneidendes Erlebnis – aber gleichwohl harmlos. Es ist eine praktisch kaum zu vermeidende Narkosefolge. Es handelt sich um das so genannte „Excitationsstadium“. Dieses Stadium wird bei der Narkoseeinleitung übrigens in umgekehrter Reihenfolge auch regelmäßig durchlaufen – bloß viel schneller, da die Medikamente in der Einleitung schneller „anfluten“ als sie später wieder „abfluten“. Es hängt damit zusammen, dass das autonome Nervensystem mit „Sympathikus“ und „Parasympathicus“ nicht nur einen „Antreiber“, sondern auch einen „Bremser“ besitzt. Bei der Narkoseeinleitung fällt der „Bremser“ zuerst aus – die Patienten sind unruhig („excitiert“). Bei der Narkoseausleitung kommt der „Bremser“ als letzter wieder: auch da ist der „Antreiber“ also eine Weile allein tätig. In diesem Unruhestadium sind die Patienten aber noch nicht voll wieder orientiert. Sie sind nicht aus böser Absicht unruhig. Und sie können sich später auch an dieses Stadium kaum erinnern. Das Excitationsstadium kann man im Aufwachraum medikamentös allerdings recht gut abfedern.

Also seien Sie stoisch und sitzen Sie das Excitationsstadium einfach aus…

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