Ein Gastbeitrag von Psiram
https://blog.psiram.com/2016/03/homoeopathie-oder-der-wahnsinn-in-zeiten-der-moderne/
„Offener Brief: Kampf der Ideologen gegen die Homöopathie“
So titelt ein äh offener Brief, den man besser nicht geöffnet hätte:
Verfasser sind Monika Gerhardus, 1. Vorsitzende UDH Hessen und Dr. rer. nat. Klaus Zöltzer 2. Vorsitzender UDH Hessen (UDH = Union Deutscher Heilpraktiker)
Weil das ja ein offener Brief ist, darf man das wohl sagen. Auch, dass ein Vor- oder Zweitsitz nichts an der Realität ändert, außer vielleicht an der Stuhlhöhe.
“Wer offen für alles ist, kann nicht ganz dicht sein” – ein Spruch, der etwas abgegriffen ist; aber ernsthaft: was könnte es besser treffen? Homöopathen vertreten eine Sichtweise der Welt, wie sie vor 200 Jahren noch als mittelinteressante Hypothese hätte durchgehen können. Doch selbst da gab es schon den ersten doppelblinden Versuch, der auch heutigen Standards entspricht: den Nürnberger Kochsalzversuch. Auch damals war es nicht zwingend, leicht gaga zu sein. Inzwischen haben wir Thermometer, mit denen wir die Körpertemperatur messen können (Hahnemann kannte das nicht), wir wissen, was Bakterien sind, wie Viren funktionieren, können gar Gensequenzen entschlüsseln, kennen extrem komplexe Zusammenhänge in der Zellstruktur, können einzelne Moleküle identifizieren, und wir wissen oft, was das eine mit dem anderen macht und noch viel, viel mehr. All das ficht Homöopathen nicht an, selbst wenn sie eine wissenschaftliche Ausbildung hatten. Es tropft alles ab am Teflon der Überzeugung, eine tiefere Erkenntnis geistartiger Art zu haben, obwohl selbst Hahnemann nur von Symptombehandlung sprach; eine tiefere Erkenntnis gar ausschloss. Wer sich für diesen Kindergarten des Denkens interessiert: Ist nicht verboten. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.
Aber so sind sie, unsere heutigen Überzeugungsglaubulisierer: Sie unterstellen denen, die nach schlichten Belegen fragen, Irrationalität, während sie selbst glauben, ein Stoff wirke umso mehr, je weniger davon da ist. Aber nur, wenn man ihn passend auf einen ledernen Buchrücken schlägt. Oder die Kundschaft nach dem Tapetenmuster ihres Kinderzimmers in ihrer Babyphase fragt, um dann eine Sepsis zu übersehen. Ganzheitlich halt.
Man kann blutweinende Madonnen anbeten, sich nackt selbstpeitschend zu einer Wüstendurchquerung aufmachen. Alles kein Problem. Aber bitte, liebe Homöopathen, behauptet doch nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.
Wie viel Schwarzes Bilsenkraut in D1-Potenzierung muss man eingeworfen haben, um das zu behaupten? Muss man wirklich die zweihundert Jahre der erfolglosen Studien immer noch ignorieren, die noch nie einen Wirksamkeitsnachweis erbrachten, und dann irgendwelche verzweifelten „Quantenhypothesen“ herbeifabulieren, die nicht einmal entfernt ein mathematisches Modell liefern? Seid ihr wirklich so unfähig zu begreifen, was ein Bias ist: die allzu menschliche Eigenschaft, sich selbst zu bescheißen?
Meine Güte, der Postmodernismus floriert, macht Wanderzirkusse auf, lasst bärtig-grimmige Männer auf Leiterwagen die Erlösung von Krankheit verkünden, hüpft mit klingelnden Narrenkappen durch die Innenstädte – hey, das dürft ihr doch alles! Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.
Aber nein, ihr wollt wissenschaftlich sein. Habt ihr denn gar keine Ehre im Leib, wie z.B. Natalie Grams, euch einfach einzugestehen, dass man ziemlich blöd war, das Offensichtliche nicht zu sehen? Kann jedem mal passieren. Habt ihr nie ein Buch über Wahrnehmungspsychologie gelesen? Ist euch nie aufgefallen, dass die Welt nicht funktionieren könnte, wenn sich widersprechende Naturgesetze gleichzeitig wirken sollten?
Macht was ihr wollt, schmort in eurer irren Denkhölle. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.
Inszeniert einen Homöopathietag und eine Nacht auf dem Brocken. Alles ok. Aber bitte, missbraucht nicht dauernd unser wunderbar zartes Pflänzchen der Erkenntnis, die Methode der Wissenschaft. Ihr gehört da nicht dazu. Haut ab. Ihr seid parasitär, euch interessiert Erkenntnis nicht, ihr wollt nur so tun, als ob. Weil ihr seit 200 Jahren glaubt, alles zu wissen. Ihr habt keine Demut vor dieser wunderbar komplexen Welt; ihr glaubt, dass wirres Denken und geistige Pfauenräder euch einen Zugang zu Herrschaftswissen verschaffen. Dürft ihr gerne. Aber behauptet bitte nicht, dass das irgendwas mit Wissenschaft zu tun hätte.
Ach ja, die “Argumente” in dem offenen Brief:
Homöopathie wirkt! Dabei ist die Frage des Placebo-Effekts nebensächlich, wie jeder gute Therapeut weiß.
Nach allen Studien in den letzten 200 Jahren wirkt sie eben nicht. Warum muss man so dreist lügen? Warum ist ein Therapeut gut, wenn er noch nicht mal Placebo mitnehmen will?
Wiederholte Umfragen unter Patienten zeigen,
Wiederholte Umfragen unter Zuschauern von Zaubervorstellungen zeigen, dass die Leute sich unterhalten fühlten.
Und damit tritt schließlich auch die Frage nach dem wissenschaftlichen Nachweis in den Hintergrund.
Natürlich. Solange man glaubt, lebt man ja auch noch, also ist Glaube der Weg zur Unsterblichkeit.
Die Weinerlichkeit ist schlimm:
Der neuerliche Angriff auf die Homöopathie – einem Therapieverfahren mit verfeinerten (potenzierten) Mitteln aus Pflanzen, Mineralien, Metallen oder anderen biologischen Grundstoffen, die regulierende Selbstheilungstendenzen zu verstärken – ähnelt einem dogmatischen Glaubenskrieg.
Himmel, macht doch was ihr wollt, geht zusammen auf einem Teppich fliegen, wunderbar. Aber sagt halt einfach nicht, dass so etwas Wissenschaft sei. Potenziert doch bitte mal die verbliebenen Latten an eurem Zaun. Man muss doch auch innerhalb des homöopathischen Denkgebäudes zu einer gewissen Konsistenz in der Lage sein, und nicht einen Konsens zwischen nass und trocken als “trass” verkaufen wollen. Steht halt endlich zu eurer Magie!
So richtig ätzend an euch Homöopathen ist übrigens das Vorgaukeln, den anderen verstehen zu wollen, während man nur die eigene Befindlichkeit mit dem Zucker der Machtausübung futtert. Das ist euer eigentliches Prinzip: Alles individuell, nichts quantifizierbar, nichts belegbar, die Deutungshohheit. Recht haben, wenn es gut ging. Sonst war das Krankenhaus schuld. Und immer kann man sich in der eigenen Größe suhlen, die leider, leider keiner quantifizieren kann, aber wissenschaftlich will man natürlich sein. Ihr seid Lügner und Betrüger, in denkfauler Selbstverliebtheit in den Spiegel starrend, und von Bigotterie muss man noch nicht mal anfangen zu sprechen, weil sie so offensichtlich ist. Ihr kleinen Könige, bei denen die Sonne immer nur aufgeht, weil zum Glück euer Wecker rechtzeitig klingelt.